WAS WILL UND WAS TUT DIE FREIMAUREREI?

Nachgefragt beim Landesgroßmeister Horst Reimann

Aus guten Männern bessere machen – das ist die einfache Antwort. Das wesentliche der Freimaurerei ist die Liebe zum Menschen an sich, unabhängig von Nation, Stand oder Religion.

„Freimaurerei war immer“, sagt Gotthold Ephraim Lessing, der 1771 Mitglied der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland / Freimaurerorden wurde. Diese Aussage von Lessing richtet sich an den Menschen, der zum ersten Mal eine innere Sehnsucht verspürt hat, Gott, Seele und Natur miteinander in Harmonie empfinden zu können. Er meint damit nicht die Errichtung von Logen, sondern die geistige Haltung, den inhaltlichen Gehalt der Freimaurerei.

Die Beschäftigung mit der Freimaurerei unserer Lehrart, das Auseinandersetzen mit ihren Inhalten in Bezug auf die eigene Person, gibt uns viele Ansatzpunkte und Möglichkeiten, das eigene Verhalten zu beurteilen, zu hinterfragen und zu verändern. Trotz dieses Bezugs auf die eigene Person will ein Freimaurer offen sein für die Sorgen und Nöte anderer. Nicht eigene Vorteile in den Vordergrund zu stellen, sondern das gemeinsame Ganze und sich selbst als Teil davon zu sehen ist eine Handlungsweise, die wir mit Hilfe von Ritualen und Symbolen im Bruderkreis üben und pflegen. Unser Lehrziel ist die fortwährende Arbeit an uns selbst, das Anwenden der Symbolik auf unser eigenes Leben, es ist ein Streben nach „Licht und Wahrheit“.

DREI FRAGEN AN BRUDER ARMIN SABOL

Berufsrocker und Feingeist

Armin Sabol war langjähriger Logenmeister der Freimaurerordensloge „Licht am Stein“ (www.lichtamstein.de) in Stuttgart. Ihm gelang es die Loge lebendig zu halten: Gekonnt schaffte er es die „alte Idee“ mit neuem Zeitgeist angenehm zu verbinden. Er hat sozusagen die Loge gerockt. Heute ist er Kapitelmeister des Ordenskapitels „Lucens“.

Geboren am 5. Juni 1960, betrat Armin Sabol bereits als Teenager große Bühnen. So konnte seine erste Band Shiva mit beachtlichem Erfolg als Opener für Bands wie Whitesnake, Lucifer’s Friend oder Hermann Brood auftreten. Die von Armin Sabol co-produzierte Single „Major Tom“ – er war hier auch Co-Autor und Gitarrist – erreichte 1983 Platz eins der deutschen Single-Charts sowie Platz 14 in den amerikanischen Billboard Hot 100. Als Producer blieb Armin am Ball und arbeitete erfolgreich mit Metalbands wie Rage, Sinner oder Pyracanda. Auch als Studiomusiker für Acts wie Hazel’O’Connor, Eric Burdon oder Thomas D. wurde Armin Sabol engagiert, ebenso wie für Aufnahmen auf mehreren Alben und Maxi Singles der Fantastischen Vier. Parallel produzierte er Instrumentalmusik für TV- und Werbezwecke. So kam seine Musik in fast allen großen deutschen und europäischen TV-Sendern zum Einsatz, so z.B als Titelmusik der ZDF Comedy Show „Vier sind das Volk“ mit Wigald Boning oder Terra X; ebenso in internationalen Produktionen wie „Storage Wars“, „Auction Hunters“ oder der Netflix Serie „The Purge“. Im April 2022 kehrte Armin zu seiner alten Leidenschaft, dem Bluesrock zurück und veröffentlichte das Album „Back in Blue“. National wie international wurde das Album hervorragend angenommen.

WAS HAT DICH ZUR FREIMAUREREI GEBRACHT, WAS WAR DEIN ANTRIEB HIERZU?

Br. Armin Sabol: Ich dürfte ein „typischer“ Suchender gewesen sein: Grob um die 40, Familie mit Kindern und beruflich auf den Beinen. Eigentlich hätte ich mich den Freizeitvergnügungen eines gestandenen 40ers hingeben können. Und trotzdem fehlte mir etwas. Wieso mein Unbewusstes dabei die Freimaurerei ausgespuckt hat (bewusst kann ich es gar nicht sagen) ist mir schleierhaft, denn im Grunde konnte ich davon nur wenig wissen. Als ich mich in der „Steinzeit“ des Internets, also den späten 90ern, zu informieren begonnen habe, bin ich erst einmal zurückgeschreckt: Zahllose Webseiten mit den abstrusesten Verschwörungstheorien standen einigen wenigen ersten Seiten von Freimaurerlogen gegenüber, so auch die meiner Johannisloge „Licht am Stein“ in Stuttgart. Wie man diese, zwar informative aber dennoch recht biedere Homepage mit den diametral unterschiedlichen, kruden Ideen einer angeblichen „Weltverschwörung unter Mitwirkung streng geheimer freimaurerischer Geheimgesellschaften“ in Einklang bringen sollte, war mir völlig unklar. Nach einigem Zögern beschloss ich Kontakt aufzunehmen und habe es nie bereut. Was ich vorfand, war eine heterogen Gruppe älterer Herren, die einen ungewöhnlich aufgeschlossenen, herzlichen und interessierten Umgang pflegten – sowohl untereinander als auch mit Gästen. Nach einigen Besuchen von Gästeabenden sagte ich mir: „Wenn die Charaktere dieser Herrschaften sich u.a. unter dem Einfluss der Freimaurerei so positiv entwickeln konnten, dann kann sie nur in Ordnung sein.“ Ich freute mich auf jeden weiteren Gästeabend und im weiteren Verlauf noch mehr darüber, selbst ein Bruder der Loge zu werden.

WAS IST FÜR DICH DAS WICHTIGSTE ALS FREIMAURER?

Br. Armin Sabol: Ich muss zugeben, dass ich im Alltag meinen Auftrag als Bruder eher unbewusst wahrnehme, diesen also nicht permanent an der Oberfläche meines Seins trage. Ich kann und möchte es auch gar nicht. Die Schätze der Königlichen Kunst ruhen im Alltag eher in meinem Unterbewussten. Ich möchte z.B. unsere Arbeitstafel gar nicht permanent im Kopf haben müssen, wenn ich mich im profanen Leben bewege. Die Freimaurerei sehe ich zwar aus Überzeugung als einen sehr bereichernden und inspirierenden Teil meines Lebens, nicht aber als „Krücke“ zur Alltagsbewältigung. So kann es eher passieren, dass sich mein innerer „Zweiter Aufseher“ (sprich mein Gewissen) meldet, wenn ich merke, dass meine Reaktion gerade unbedacht war und ich womöglich jemand anderen unnötig vor den Kopf gestoßen habe. Solange sich aber solche inneren „Red Flags“ nicht oder nur selten bemerkbar machen, gehe ich davon aus, dass meine Handlungen grundsätzlich im Einklang mit den Anregungen unserer Königlichen Kunst stehen. Noch schöner ist es natürlich, wenn man sich nachträglich ein wenig auf die Schulter klopfen und sagen kann: „Schau an, das hast Du im Sinne unserer wertvollen Ideen – also u.a. mit Fairness und Menschlichkeit – umsetzen können.“ Ansonsten ist mir sehr wichtig, Brüdern wie Suchenden gegenüber, stets authentisch und dadurch innerlich „greifbar“ zu bleiben. Die Freimaurerei hilft Trennendes zwischen Menschen abzubauen. Dies vorzuleben ist m.E. deutlich wichtiger als jede schöne Theorie, die aber bei näherem Hinschauen womöglich nicht im Einklang mit dem Verhalten eines Bruders steht. „Practice what you preach“ heißt es im angelsächsischen Sprachraum. Damit gehe ich völlig d’accord, denn „Wasser predigen und Wein trinken“ passt nicht zur Freimaurerei.

WIE HAT DIE FREIMAUREREI DICH UND DEIN LEBEN VERÄNDERT?

Br. Armin Sabol: Diese Frage lässt sich natürlich nicht so einfach beantworten, weil ein Vergleich in Form von „Wie wäre mein Leben ohne Freimaurerei verlaufen“ nicht möglich ist. Ich glaube aber, dass mich unsere Königliche Kunst darin bestärkt hat, mich zu dem Menschen zu entwickeln, der in mir angelegt ist. Das ist nicht selbstverständlich, denn allzu oft können uns rein intellektuell geprägte, um nicht zu sagen völlig „verkopfte“ Entscheidungen von unserer tiefer gelegenen Persönlichkeit entfremden. Es kann manchmal Jahre dauern, dies zu erkennen und wieder umzukehren. Die Freimaurerei bietet bei unseren lebenslangen Individuationsprozessen klug angelegte innere Werkzeuge und Anregungen. Dafür bin ich dankbar. Ebenso dankbar bin ich dafür, dass ich mich innerlich frei fühlen und bewusst leben darf. Welchen Anteil daran unsere Königliche Kunst hatte, kann ich nicht bis ins letzte Detail ausmessen. Sie hat das alles aber sicherlich bestärkt und mir – sowie hoffentlich auch meinem Umfeld – sehr gut getan. Die Entscheidung unserem Orden beizutreten und mitzuhelfen, unser wertvolles Gedankengebäude zu bewahren und an kommende Generationen weiterzugeben, habe ich daher niemals bereut. Ganz im Gegenteil.

Standpunkt und Denkanstoß

FÜR EINEN FREIMAURER GIBT ES KEINEN „VERMITTLER“ DER WAHRHEIT

Für einen Freimaurer gibt es keinen „Vermittler“ der Wahrheit – echte Freiheit bedeutet für einen Freimaurer, einen Weg einzuschlagen, auf dem er seinen ganz persönlichen Zugang findet. So wie der berühmte Mystiker und Philosoph des Spätmittelalters Meister Eckhart vor allem die Freiheit und die Verantwortung jedes einzelnen Menschen in den Vordergrund gestellt hat, weil „jeder Mensch einen göttlichen Funken in sich trage“ und so „jede Vermittlung Gott fremd ist“, so kann auch jeder Freimaurer diese Worte für sich beanspruchen. Mit dieser radikalen Betonung der Innerlichkeit hat Meister Eckhart sich all die zu Feinden gemacht, die sich im alleinigen Besitz der Wahrheit wähnten – und genau das macht ihn heute noch so interessant, insbesondere natürlich für Freimaurer.

Wenn wir ein humanes 21. Jahrhundert erleben wollen, sollten wir auch solche Erkenntnisse verinnerlicht haben – für einen Freimaurer eine geübte Praxis. Allein der Digitalkapitalismus überfordert uns bereits heute: zwischen Massen an Informationen, Daten und virtuellen Welten geht der Blick für das Wesentliche verloren. Wir verlieren uns selbst zwischen Konsum und gesellschaftlichem Wandel.

In diesem Spannungsfeld stellen sich die entscheidenden Fragen: Was macht mich als Menschen einzigartig? Was hat uns zu dem gemacht, was wir sind? Was sind wir morgen? Woher komme ich, wohin gehe ich? Und: Wie bleibe ich frei und selbstbestimmt? Wir „müssen“ uns als Einzelne und als Gesellschaft neu verorten: Im Mittelpunkt allen Handelns steht das Individuum, mit allen Rechten und Pflichten. Gleichberechtigt und bereit, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

SCHREIBEN SIE UNS.

Wir freuen uns auf Ihre Fragen und Anregungen.

Werner H. Heussinger

Landesgroßredner der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland / Freimaurerorden